Stefanie Maeck im Hamburger Abendblatt am 29.09.2011
Die Künstlerin Barbara Koch zeigt im Harburger Schauraum ihre Bilder in der Ausstellung „Schönheit und Trauer“
Harburg. Das erste, was einen anblitzt, sind die Haare. Rot, sehr rot. Und dann das Kleid. Grün, sehr grün. Dann kommt die Dalmatinerhündin mit den ungewöhnlichen weiß-braunen Flecken, und dann endlich die Hand von Barbara Koch. Barbara Koch ist Künstlerin und fast fertig mit dem Aufbau ihrer Ausstellung im kleinen Harburger Schauraum an der Schwarzenbergstaße: „Schönheit und Trauer“. Und eins ist nun klar, die Künstlerin sieht mit ihrer „expressiven“ Erscheinung nicht nach zäh fließenden Stoffen der Melancholie aus. Barbara Koch ist vielmehr eine Frau mit besonderem und fast magischem Blick für die Natur. Eine die sammelt, die überall Schönheit und ihre Schattierungen erblickt.
Zum Beispiel in den gesammelten Blüten, Früchten, Blättern, aber auch schon mal im Schädel einer verendeten Katze. Diese Naturmaterialien sind zum Teil schon Jahre alt, wie Barbara Koch zu erzählen beginnt, die Berührung des Fingers könnte sie zum Zerstäuben bringen, will man meinen, und sie stammen von den verschiedensten Orten der Welt. In Objektkästen lagern diese Fundstücke voll modrig-morbider Schönheit und Barbara Koch hat diese nun erstmals in einer fotografischen Serie in Szene gesetzt. Mit leicht unscharfem Hintergrund.
Schönheit und Trauer heißt das Motto der Ausstellung im Schauraum, das die Arbeiten in ganz verschiedenen Medien durchweht. Überall waltet jene Spannung, die Barbara Koch so interessiert, die Polarität zwischen Fülle und Niedergang, Schönheit und Tod, Pracht und Verwelken, Licht und Düsternis, Höhe und Abgrund, Aufstieg und Fall. Nicht zu vergessen natürlich die Liebe, in der für Barbara Koch immer schon die Trauer waltet. Die Spannung zwischen Morbidität und Ästhetik verdichtet sich für sie besonders in den getrockneten Blüten und Früchten.
Doch da ist nicht nur die Spannung zwischen Werden und Vergehen, der Grundrhythmus alles Lebendigen. Da sind auch immer charmante ästhetische Details: Wie gruselig schön bietet sich im Foto der mortifizierte Schädel einer Katze dar, wie spitz und unheimlich lugen ihre toten Fangzähne vor, daneben die massive Präsenz eines abgestorbenen knorrigen Astes. Alles scheint in der Natur vorhanden, doch es braucht eben das aufmerksame Auge der Künstlerin, um es als Arrangeurin zusammenzuführen. Und vielleicht ist es nicht weniger als das: Barbara Koch entdeckt eine poetische und seltsam übersehene Schönheit in den Dingen, die nicht mehr im Leben stehen, abseitig sind. Doch da wäre noch etwas, das einem in der stimmig komponierten Ausstellung auffällt, die einen im herbstlichen Gold-, Ocker und rostigen Orangetönen entgegenleuchtet:
Dieses Etwas ist archaisch, sehr weiblich und fast geheimnisvoll: Keine Männerhand hätte zum Beispiel die kleinen Gipsgöttinnen formen können, die so fruchtbar und voll archaischer Symbolik im Schauraum stehen, dass sie wie Kultobjekte aussehen, fremd und aus einer anderen Welt. Oder die Steinfrau, in der Muscheln und gefundene Scherben wie Fetischobjekte präsentiert werden und eine Art magische Ursprache des Organischen zu sprechen scheinen. Koch hat sie vielleicht beim Elbbummel entdeckt. All das wirkt wie animistisch, wie von einer Urkraft der Natur beseelt – doch auch von sehnsuchtsvollen Projektionen der Künstlerin, die sie in die Natur ausfließen lässt.
Das Werden und Vergehen entdeckt Barbara Koch aber noch ganz woanders. Eine gestisch angelegte Zeichenserie umkreist Körper und ihre Bewegungen. „Für mich hat der Körper ganz viel mit Schönheit und mit Trauer zu tun“, sagt Koch. Und: „In der Liebe stecke immer so viel Schönheit und Trauer, aber auch Trennung und Streit.“ Mehr ins Räumliche tasten sich die „Erdbilder“ der Künstlerin vor, die aus verschiedenen Welterden und Pigmenten komponiert wurden, die Koch ebenfalls sammelt oder sich von Freunden mitbringen lässt, und in denen die Materialität in den Vordergrund rückt – die Bilder tasten sich mit plastischen Elementen ins Dreidimensionale vor. Für die Künstlerin sind sie „emotionale Landschaften“, vielleicht auch Landschaften der Seele, gestimmt und metaphorisch, die für eine Sympathie alles Lebendigen stehen.
Barbara Koch, die viele Jahre in einer alten heruntergekommenen ehemaligen Fleischräucherei auf St. Pauli mit ganz viel Patina, Ruß- und Gebrauchsspuren lebte und arbeitete, ist mittlerweile ins beschauliche Rahlstedt umgezogen, wo sie im Künstlerhaus Ohlendorffturm gemeinsam mit ihrem Partner, dem Schauspieler Hans Heller und weiteren Künstlern lebt. Dort sei es gar nicht so schlecht, mittlerweile passiere etwas im bürgerlichen Rahlstedt, findet sie.
Mit Barbara Koch kommt zunächst jedoch eines: archaische und hoffnungssatte Urkraft in den Harburger Schauraum. In ihrer eigenen Poesie klingt das so: „Im Ganzgefühl durchwandern in Stille in Schöpfung in Glück.“ Melancholie klingt anders.